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Auszüge aus meiner AbschiedsredeUnd im Unruhestandgeht es danach noch ein bisschen weiter... Liebe Kolleginnen und Kollegen! |
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2. Zu viel3. Fehlkonstrukt.4. Beziehung5. Sand
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2. Zu viel des Guten Wenn ich darauf zurückblicke, wie meine Situation als Junglehrer zwischen erster und zweiter Dienstprüfung damals ausgesehen hat, so kann man sich zur heutigen zweiten Ausbildungsphase keinen größeren Kontrast vorstellen. Ich kam nach der PH an eine dreiklassige Schule in der Nähe von Nagold (Südwürttemberg-Hohenzollern), übernahm die Mittelstufe vom dritten bis zum fünften Schuljahr, 36 Kinder in einer Dreijahrgangsklasse, für die ich auch gleich noch den Stundenplan selbst erstellen musste, da der Schulleiter sich im Sanatorium befand. Nach einem Schuljahr wurde ich zum zivilen Ersatzdienst einberufen. Dagegen legte ich unter Berufung auf Paragraf xy des Wehrpflichtgesetzes Widerspruch ein, da man diesem Paragrafen zufolge aus einem weitgehend geförderten Ausbildungsabschnitt heraus nicht eingezogen werden soll. Die zuständige Bundesbehörde argumentierte jedoch, der Beamte auf Widerruf sei mit vollem Deputat von 32 Wochenstunden an einer Schule tätig und genieße infolge dessen keine Ausbildung mehr. Also musste ich in einem Prozess gegen die Bundesrepublik Deutschland vor dem Bundesverwaltungsgericht in Berlin den Nachweis erbringen, dass es sich bei der Zeit zwischen erster und zweiter Staatsprüfung tatsächlich um Ausbildungszeit handelt. (Aber das ist eine andere Geschichte.) ... Ausbildungsveranstaltungen im heutigen Sinne gab es überhaupt nicht. ... Sicher kein Idealzustand! Aber drei ganz entscheidende Vorteile hatte das damalige "Nicht-System": Erstens: ich wurde von Anfang an kopfüber in die eigene Verantwortung gestürzt und habe gelernt, was selbständig und was arbeiten heißt; Zweitens: ich konnte mich experimentierend entwickeln und meine Möglichkeiten erproben, ohne dass der Mentor, der Schulleiter, drei Lehrbeauftragte und sonstige Kollegen ständig hinter mir standen und an mir herumzerrten – möglichst noch in lauter verschiedene Richtungen! Und drittens: ich hatte genügend Zeit! Üblich war es damals, nach ca. drei Dienstjahren die zweite Prüfung abzulegen – spätestens nach fünf Jahren erst musste man sich zur Prüfung melden. ... Um es auf den Punkt zu bringen: Die zweite Phase hat sich von dem damaligen laissez-faire-Zustand zu einem hochgezüchteten Treibhaussystem entwickelt, in dem – der Schnellmast vergleichbar – in zu kurzer Zeit zu viele Ausbilder zuviel Berufswissen in die Kopfe zu stopfen versuchen. Demgegenüber kommt kontinuierlich reflektiertes und kleinschrittig sich festigendes Berufshandeln schon allein aus Zeitgründen zu kurz. Das Ergebnis sind zu viele anfällige, wenig selbständige, methodisch hochgezüchtete Hybriden, deren persönliche "Resilienz" gegenüber dem Alltag in der Schule während der gesamten Ausbildung niemals in den Blick genommen, geschweige denn bearbeitet wird. (Und diese anfälligen Lehrerpflänzchen sollen sich in Bayern bereits um die Resilienz ihrer Schüler kümmern... ! – Aber das ist wieder eine andere Geschichte.) |
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2. Zu viel3. Fehlkonstrukt.4. Beziehung5. Sand
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3. Fachorientierte Fehlkonstruktion Von Anfang an haben wir uns außerdem gefragt, welche politischen Interessen und Kräfteverhältnisse zu dem kontraproduktiven Nonsens geführt haben, eine pädagogische Hochschule und das Schulsystem, für das dort ausgebildet werden soll, zwei verschiedenen Ministieren zu unterstellen. Wieder auf den Punkt gebracht: |
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2. Zu viel3. Fehlkonstrukt.4. Beziehung5. Sand
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4. Methoden sind kein Ersatz für Beziehung Nun kann man natürlich auch das wieder als eine Methode bezeichnen. Aber es war dann zumindest eine flexible Methode, die jedes Kind da abholte, wo es gerade stand und ihm seinen eigenen Weg erlaubte. (Dummerweise hatte ich eine Kollegentochter in der Klasse, die sich mit dem Lesenlernen etwas schwer tat. Nach den Weihnachtsferien kam der Kollege auf mich zu und meinte mit deutlichem Vorwurf in der Stimme, aber auch mit väterlichem Stolz: "Über Weihnachten hab ich der Edith jetzt endlich mal Lesen beigebracht!" Er hatte offensichtlich die bessere Methode...) Auch in Mathematik gab es einige Jahre später den Grabenkrieg für oder gegen die Mengenlehre. Ich konnte zwei erste Klassen als Klassenlehrer übernehmen und nutzte diese Gelegenheit für ein Methodenexperiment, bei dem der Faktor Lehrerpersönlichkeit einigermaßen konstant gehalten werden konnte. In einer der beiden – hinsichtlich der Intelligenztestwerte parallelisierten – Klassen verwendete ich den Herder-Lehrgang mit den Logischen Mengenlehre-Blöcken, in der anderen Klasse den Fricke-Besuden-Lehrgang, der mit Hilfe der Cusinaire-Stäbchen den Kindern "operatives Rechnen" beibringen wollte. Nach zwei Schuljahren unterschied sich weder die Rechenfertigkeit noch das Intelligenzprofil der beiden Klassen – und der Intelligenz-Durchschnitt war (altersnormiert) auch nicht angestiegen. Eine weitere Überprüfung am Ende des 4. Schuljahres zeigte dasselbe Bild. Die konkurrierenden Methoden hatten identische Effekte erbracht. ... Ich hatte Gelegenheit, noch bevor die Staatsschule Fördermaßnahmen gegen die Leserechtschreibschwäche zur Verfügung stellte, mit privat finanzierten "Legastheniker"-Gruppen zu arbeiten. Dabei gewann ich zunehmend den Eindruck, dass unabhängig vom individuellen Defizitprofil und unabhängig vom individuellen Förderplan Fortschritte vor allem dadurch zustande kamen, dass ein Lehrer dem Einzelnen Einfühlung und Zeit widmete. Wo die Lehrperson vom Stoff berührt ist und wo sich Berührung zwischen Schüler und Lehrer ereignet, da besteht die größte Chance, dass auch der Schüler vom Stoff berührt und motiviert wird. (Bei intrinsischer Motivation ist der Kontakt mit dem Stoff ohnehin gegeben – und der so Motivierte lernt sowieso nach eigener Methode.) |
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2. Zu viel3. Fehlkonstruktion4. Beziehung5. Sand
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5. Sand im Getriebe Geholpert hat es immer dann, wenn ich meiner vorgesetzten Dienstbehörde Sand ins Getriebe streute. Manchmal ganz unabsichtlich. Das fing schon bei der Kleidung an. Zum Beispiel als ich wegen meiner Rückversetzung von Südwürttemberg in den Bereich KA beim Oberschulamt vorsprechen musste. Der betreffende Regierungsschulrat saß mir gegenüber in einem abgewetzten grauen Anzug, in einem Hemd, dem man ansah, dass es einmal weiß gewesen war, geziert mit einer Krawatte, die sich unauffällig in das ausdruckslose Grau des zugehörigen Anzugs fügte. Das Gespräch nahm ein erfolgreiches Ende, aber der Herr Regierungsschulrat mit den glänzenden Stellen am Anzugsärmel eröffnete mir zum Schluss, es sei doch wohl nicht ganz angemessen, beim Oberschulamt in einem roten Pullover zu erscheinen, die Kleidung repräsentiere schließlich den Berufsstand. (Ein ordentlicher Kaschmir-Pulli übrigens, in gedecktem Rot über einer dunklen Hose - damit also sollte ich nicht ins System passen?) In dieser Beziehung hat sich ja einiges geändert. Heute darf z.B. ein Schulleiter ungestraft mit kurzärmeligem, über dem massigen Bierbauch halboffenem und aus der Hose hängendem Hemd, die Hände in den Hosentaschen angeschmuddelter Jeans vergraben, auf der Bühne vor die Eltern der neuen Fünftklässler treten und schnoddern: "Also, gell, i´ bin de Maier-Müller-Wieauchimmer, unn i bin hier de Rektor." Das war einer seiner harmlosen Auftritte. Sollte jedoch von einer niedrigeren Charge gegen einen solchen Rektor irgendwann wegen nachweislicher Dienstvergehen Beschwerde eingereicht werden, dann ist es vorbei mit der Toleranz der Behörde – gegenüber dem Beschwerdeführer! In dieser Hinsicht hat sich nichts verändert seit damals. Das System deckt nach wie vor behutsam all seine Fehl-Funktionäre, die ja im sicheren Beamtennest festsitzen. ... Und höchste Qualifikation reicht als Eignung für eine Funktion nicht aus, wenn nicht als entscheidendes Kriterium die rechte Stromlinienförmigkeit im Umgang mit der Behörde hinzukommt. ... Deshalb war ich später, als meine Bewerbung ans Seminar Erfolg hatte, ebenso erfreut wie überrascht – denn meine Dienstakte war damals schon etwas dicker, und das ist normalerweise keine gute Voraussetzung. Nach zwei Vierteln Schwarzriesling in einer gemütlichen Kneipe von Schwäbisch-Hall wanderte ich im kargen Schein des Halbmondes an der Seite eines Ministerialrats zur Comburg zurück, wo wir einen Lehrgang zur Einführung in unsere Seminararbeit absolvierten. Ihn fragte ich, wie das denn zu erklären sei, dass jemand mit Holperstrecken im dienstlichen Werdegang trotzdem für würdig befunden wurde, Lehrer auszubilden. Er zögerte etwas mit der Antwort und meinte dann: "Sie haben anscheinend ziemlich weit oben einen Fürsprecher gehabt." – Ich konnte nur mutmaßen, wie weit nach oben er gedacht hat – aber das ist eine andere Geschichte. Diese und ähnliche Erfahrungen haben mich mit dem System einigermaßen ausgesöhnt: so lange es seine Sandkörner nicht nur erträgt, sondern ihnen sogar Verantwortung überträgt, kann es so schlimm noch nicht sein... Dennoch hat unser staatliches Schulsystem – das ist leider mein Fazit nach 43 Dienstjahren – wenig Chancen sich qualitativ über den politischen Aktionismus hinaus zu verbessern. Aber die geringe Chance muss genutzt werden! (In diesem Zusammenhang hat mich die Haltung des Dr. Rieux in Die Pest von Camus nachhaltig beeindruckt, der angesichts der größten Aussichtslosigkeit trotzdem ganz bewusst das Notwendige einfach tut.) Vielleicht wächst ja die Chance jetzt, wo sich der Lehrkörper demografisch bedingt radikal verjüngt. Allerdings muss man sehen, dass dadurch unvermeidbar ein neues Problem entsteht: die meisten Jungen sind Frauen und werden durch ihre Babypausen und Teildeputate für sehr viel Diskontinuität und viele lernpsychologisch ungünstige Stundenpläne sorgen. – Aber gerade deshalb muss die zweite Ausbildungsphase um so entschiedener den 1984 bereits ausgerufenen Paradigmenwechsel vom sachorientierten zum personorientierten Lernen endlich vollziehen und die jungen Lehrer dazu anhalten,
In diesem Sinne wünsche ich euch allen angesichts des derzeit ebenso hektischen wie wirkungslosen Anti-PISA-Reform-Aktionismus in Schule und Lehrerbildung: Seid Sand, nicht Öl in dem Getriebe dieser Welt! |
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Unruhestand | ... weiter also mit einem Magisterstudium Pädagogik (Abschluss Februar 2011) und einer Promotion (Abschluss Februar 2013) - zu beidem siehe auch Veröffentlichungen unter sowie einer Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der «Forschungsstelle für Lehrerberufseignung» des Instituts für Berufspädagogik und Allgemeine Pädagogik der Fakultät für Geistes- und Sozialwissenschaften des KIT/Universität Karlsruhe. Eine Reihe glücklicher Koinzidenzen führte dazu, dass ich mein berufliches Nachdenken über Lehrerbildung - besonders im Blick auf die Rolle des 'Ästhetischen' - nahtlos in einen wissenschaftlichen Kontext überführen und weiterführen konnte. Motivierend, um den nicht gerade unerheblichen Aufwand für eine (ca. 540 Seiten starke) Dissertation auf mich zu nehmen, war die Aussicht, nicht für den Elfenbeinturm weiter zu arbeiten, sondern sogar mit einer kleinen Hoffnung auf bildungspolitische Wirkung: auf dem Wege der wissenschaftlichen Begleitung der Bildungsplan-Entwicklung für die soeben in BW gegründeten Gemeinschaftsschulen. |
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- ein Abschiedsgeschenk meiner letzten Pädagogik-Gruppe (Kurs 25), die ich anlässlich meines 70. Geburtstages im Jahre 2012 einladen möchte, um den bis dahin erreichten Entwicklungsstand des Bäumchens zu begutachten. In der Zwischenzeit werden die Fotos aus jeweils gegebenem Anlass aktualisiert. | |||||
Herbst 2008 |
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