N. Jüdt

Erziehung – Lernen aus der Praxis (I) - Leseprobe

Einleitung

Die Zeiten haben sich grundlegend verändert – und damit die Rolle der Lehrerin.[1] Der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit hat sich immer mehr vom Unterrichten auf das Erziehen verlagert – Tendenz steigend. Wer dieses nicht erkennt und sein Lehrerverhalten darauf abstimmt, betreibt über kurz oder lang (oder schon lange...?) nur noch einen »Als-ob-Unterricht«, der sich von draußen auf dem Gang anhört, als sei keine Lehrerin in der Klasse, und der drinnen so erfolglos ist, dass man die Schüler besser nach Hause schicken würde.

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Die Lage der Lehrerinnen ist in vielen Schulen bereits prekär geworden und die Betroffenen werden damit alleingelassen! Diese Einschätzung wird auch nicht dadurch relativiert, dass immer wieder einmal irgendwo sogenannte »Fallbesprechungsgruppen« angeboten werden. Diese sind weder ständig noch flächendeckend im Angebot und dürfen aus gutem Grund nicht als »Supervisionsgruppen« bezeichnet werden, da die Gruppenleiter die dafür notwendige Qualifikation nicht mitbringen. Es ist ein unverständliches Versäumnis von Kultusverwaltung und Bildungspolitik, dass es seit Einführung der »wissenschaftlichen« Lehrerausbildung mit Eröffnung der pädagogischen Hochschulen Anfang der sechziger Jahre und der Einrichtung einer strukturierten zweiten Ausbildungsphase nicht gelungen ist, eine regelmäßige und für alle verbindliche Supervision einzuführen. (Auch das ist ein Ursachenfaktor für die PISA-Ergebnisse!)

In einer solchen Situation ist der Versuch nahe liegend, über eine Artikelserie das Angebot zur Selbsthilfe zu vergrößern. Eine Aufsatzreihe kann dieses Defizit natürlich nicht kompensieren. Aber sie kann wenigstens dort von Nutzen sein, wo einer Lehrerin die Notwendigkeit täglichen eigenen Weiterlernens bewusst genug ist, um den damit verbundenen Zeitaufwand als produktive Lebenszeit zu betrachten und zu investieren.

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Lernen durch Praxis-Reflexion

Was bedeutet es nun Praxis zu »reflektieren«? Die wörtliche Übersetzung wäre »zurückbiegen«: Die Gedanken sollten nach Durchführung des Unterrichts noch einmal auf den Verlauf und seine Planung zurück gelenkt werden, um beides miteinander zu vergleichen und zumindest bei Abweichungen nach Gründen zu suchen, die eben so gut in der erzieherischen wie in der unterrichtlichen Interaktion liegen können, sowie für die Zukunft daraus Konsequenzen zu ziehen.

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Es ist die Absicht der mit diesem Aufsatz eingeleiteten Anregungen zum selbstreflexiven Lernen, den Lehrerinnen variabel zu handhabende Denkmuster zur eigenen Reflexion anzubieten, die an immer wieder neuen Beispielen aus der schulischen Erziehungspraxis durchprobiert werden sollen – in der Annahme, dass es der Leserin gelingen wird, den Transfer auf die eigene Praxiserfahrung selber zu leisten. Die inhaltliche Themenfolge wird dabei von der subjektiv empfundenen Dringlichkeit des Autors bestimmt.

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Praxis ohne Theorie?

Bisher war lediglich von »Praxis« die Rede. Praxis wird im Schulalltag häufig in einem gewissen Gegensatz zur »Theorie« gesehen. Dieser Gegensatz hat nicht selten auch noch einen abschätzigen Beigeschmack, der sich zum Beispiel Luft macht, wenn jemand aus dem Kollegium wieder einmal eine Fortbildungsveranstaltung über sich ergehen lassen musste, mit der man als »Praktiker« wenig anfangen konnte: das waren wieder einmal »graue / abgehobene / unverständliche / am grünen Tisch entstandene / praxisferne / über den Wolken schwebende – in jedem Fall irgendwie wenig nützliche Theorien – von jemandem erfunden, der von der Praxis eben keine Ahnung (mehr) hat... Dieser negativen Einstellung gegenüber möchte ich hier ein anderes Verständnis von Theorie und ihrem Verhältnis zur Praxis entwerfen.

Übersetzt man den Begriff aus dem Griechischen, so bedeutet er »geistige Anschauung / Schau / Überblick« und Ähnliches.[2] Diese Schau hat ja einen Gegenstand – und dieser Gegenstand ist die berufliche Praxis. Jeder, der einen Beruf ausübt, hat bestimmte Vorstellungen davon, wie die Ausübung seines Berufes für ihn sinnvoll ist. Diese Vorstellungen macht man sich im alltäglichen Handeln nicht ständig bewusst, aber sie steuern ständig zumindest unbewusst unser Verhalten. Diese unbewusste Verhaltenssteuerung ist das, was man als berufliche Routine bezeichnet und was die Bewältigung der Alltagsprobleme ungemein erleichtert. Aber auch in der routinierten Berufsausübung stößt man immer wieder auf den Umstand, dass dem eigenen Handeln persönliche Prinzipien zugrunde liegen – nämlich dann, wenn man in einen Entscheidungskonflikt gerät oder bei einer Kollegin einen solchen beobachtet bzw. beratend begleitet. Vielleicht entscheidet sich die Kollegin für eine Handlungsweise, von der man selbst sagt: nein, so könnte ich das nicht machen. Ein für mich wichtiger Grundsatz hat sich dann zu Wort gemeldet. Diese handlungsleitenden Grundregeln sind Bestandteile einer »subjektiven Theorie«, die sich durch das Zusammenwirken von Persönlichkeitsfaktoren, Ausbildung und Berufserfahrung entwickelt – und hoffentlich lebenslang weiterentwickelt. Wer im Laufe des Berufslebens in Routine erstarrt, läuft Gefahr, dass die eingefahrenen Verhaltensmuster irgendwann auf unvermeidliche Veränderungen der beruflichen Anforderungsstruktur oder auch persönlicher Bedürfnisse nicht mehr passen. Und wer sich nicht an-passen kann, gerät in einen Teufelskreis bzw. eine Burn-Out-Spirale: unangepasste Reaktionen steigern den täglichen Frust und führen zu weiteren unangemessen Reaktionen und weiteren Frustrationen, bis irgendwann die letzten Kräfte aufgezehrt sind.

Im Grunde gibt es also gar kein praktisches Berufshandeln ohne »theoretisches« Hintergrund-System von Prinzipien, Einsichten, Übersichten, Wertsetzungen und Motiven. Sie prägen insgesamt auch das Menschenbild, welches in jedem von uns dem Handeln zugrunde liegt. Von dieser »subjektiven« bis zu einer wissenschaftlich ausgearbeiteten Theorie gibt es gleitende Übergänge. Auch eine »hoch wissenschaftliche« (pädagogische) Theorie sollte Hilfe zur Bewältigung von Praxis sein, sollte also von praktischen Problemstellungen ausgehen und in praktische Handlungsvorschläge einmünden. Aber selbst dann nützt diese wissenschaftliche Theorie dem Einzelnen nur insoweit, als er sich diese »zu eigen« macht. Erst wenn und nur so weit eine wissenschaftliche Theorie den eigenen Bedürfnissen, den eigenen Handlungsmöglichkeiten und nicht zuletzt den eigenen Motiven angepasst wurde, kann sie auch handlungsleitende Effekte haben. Das faktisch Entscheidende ist also immer die subjektive Theorie, auch wenn dieser Begriff von manchem Wissenschaftler eher despektierlich (abschätzig) betrachtet wird – er muss sich damit abfinden, dass seine noch so schönen Gedankengebäude wirkungslos bleiben, wenn sie nicht in jedem einzelnen Leser je individuell »auferstehen«.

Wenn Theorie bedeutet, einen »Durchblick« anzubieten, mit dem Praxis leichter durchschaubar und handhabbar wird, dann erfüllt sie ihre wichtigste Funktion und ist kein Ballast, sondern Unterstützung. In diesem Sinne versucht die Aufsatzreihe auch Theorie anzubieten – jedoch nicht isoliert und abgehoben, sondern im Zusammenhang mit der Suche nach praktischen Lösungen. Dabei soll so weit wie möglich auf Fachbegriffe verzichtet werden. Wo dies unvermeidlich ist, werden diese verständlich erklärt.

Praxissituationen bzw. praktisches Lehrerverhalten können nicht analysiert und auf Alternativen befragt werden, ohne dass sich die impliziten (unterschwelligen, unbewussten) Theorien des Autors auch im Sinne von Wertungen bemerkbar machen. Damit diese Bewertungen durchsichtig, nachvollziehbar und vom Leser möglicherweise auch relativierbar bleiben, muss der Autor sein Wertsystem bzw. sein Menschenbild offen legen.

Wirkungsnetzwerk – oder: einen systemischen Blick entwickeln

Da eine Problemsituation, wie oben dargestellt, nicht isoliert, sondern in ihren Zusammenhängen betrachtet werden muss, ist es zweckmäßig, für jede Problemanalyse so etwas wie eine »Landkarte von Wirkfaktoren« im Hinterkopf zu haben.

Es entspricht zum Beispiel der alltäglichen Lehrer-Erfahrung, dass der Schulleiter ein sehr mächtiger Wirkfaktor ist, dessen »Kraftfeld« nicht nur von seinem Temperament, seiner Persönlichkeit abhängig ist, sondern auch von er Art, wie er seine Rolle definiert. In seine Rollendefinition wiederum geht ein, welches Verhältnis er zu den Eltern, den Schülern, den Lehrern, zum Schulamt, zur Gemeindeverwaltung, zur Presse, zu anderen Institutionen im Umfeld der Schule usw. entwickelt hat. Um die eigene Einstellung dem Rektor gegenüber zu klären, tut man gut daran, nicht nur den Menschen zu sehen, sondern auch all das, was ihn in seiner Rolle als Führungsperson der Schule beeinflusst.

Dieses kleine Beispiel, indem nur Personen vorkommen, illustriert schon wie verflochten die Systembestandteile sind. Das Gesamtsystem besteht aber nicht nur aus Personen, sondern auch aus gesetzlichen Vorgaben, Einstellungen gegenüber Erziehungsleitbildern, Vorstellungen von Unterricht, Gebäudebeschaffenheiten, Ausstattungssituationen, Geld usw.

Auch die nicht-personalen Gegebenheiten üben ihre Wirkung aus. So kennt z. B. jede Lehrerin den nervenaufreibenden und gesundheitsschädlichen schrillen Pausenlärm, der durch eine Architektur erzeugt bzw. verstärkt wird, die keinerlei Rücksicht auf akustische Belange genommen hat – ebenso die Wirkung des (tatsächlichen oder nur vorgeschobenen) Geldmangels, der allen diesbezüglichen Klagen zum Trotz schalldämmende Maßnahmen verhindert.

Dennoch sind Personen die entscheidenden Faktoren, denn durch ihr Handeln wird das Zusammenwirken und jede Veränderung des Systems maßgeblich bestimmt. Jede Veränderung beginnt mit der Veränderung persönlichen Handelns (es sei denn, ein Erdbeben lässt das Schulhaus zusammenfallen). Und nur über persönliches Handeln können die Verhältnisse der Sachen geändert werden. Und nicht die Sachen, sondern die Menschen tragen Verantwortung. Ein misslungenenes Schulgebäude trägt keine Schuld an seinem Zustand, sondern der Architekt oder die Gemeinderäte, die zu wenig Geld zur Verfügung gestellt haben.Situationsanalyse - Ein Beispiel

Im folgenden Abschnitt werden diese fünf Fragerichtungen (Analysedimensionen) sowie das Beziehungsnetzwerk mit etwas ausführlicherer Interpretation auf ein weiteres Praxisproblem angewendet.

Eine Klassenfahrt buchen

Frau Waigel will eine Klassenfahrt buchen. Vom ersten Busunternehmen, das sie anruft, bekommt sie die Auskunft: "Es tut uns leid, wir machen überhaupt keine Klassenfahrten mehr, da inzwischen der Ärger größer ist als der Verdienst. Die Busse sind am Ende völlig verdreckt mit Flecken von Coca-Cola, Schokolade oder Fett, Sitzpolster und Rückenlehnen haben Löcher und Brandflecken usw. Die Busfahrer weigern sich, den extremen Lärm und die unverschämten Pöbeleien der Schüler länger zu ertragen und auch noch nachts in der Herberge kaum Schlaf zu bekommen, weil die Randale bis in die frühen Morgenstunden andauert. Und die Lehrerinnen versuchen gar nicht erst, etwas gegen diese Zustände zu unternehmen.  Vielleicht haben sie ja bei einem Kollegen Glück."

Szenenwechsel.

Im Lehrerzimmer erzählt Frau Walter ganz begeistert von einer Städtefahrt mit dem Busunternehmen Ebert nach Regensburg, die sie am Wochenende mitgemacht hat. "Was, du machst mit dem Ebert auch private Reisen?" fragt eine Kollegin, als ob sie es nicht fassen könnte. "Ja – und wo liegt das Problem?" - "Ha, wenn man mit dem doch schon mal einen Schulausflug gemacht hat, kann man ihm doch privat nicht mehr unter die Augen treten, so wie sich die Schüler sich heutzutage benehmen!" - "Siehst du, das ist halt der Unterschied zwischen dir und mir: wenn ich einen Schulausflug mache, pöbelt niemand den Busfahrer an, und der Bus wird blitzsauber verlassen." - "Das glaubst du doch wohl selber nicht! Das kriegt man doch überhaupt nicht mehr hin!" - „Und ob ich das hinkriege! Der Boss in meiner Klasse bin immer noch ich!“

Charakterisierung des Problems

Hier wird aus zwei verschiedenen Perspektiven, die sich wechselseitig bestätigen, dasselbe Phänomen angesprochen: Schüler benehmen sich auf Klassenfahrten heute offensichtlich häufiger als früher[3] unzumutbar. Natürlich gilt dies nicht nur für Klassenfahrten, vielmehr beklagen Lehrerinnen durchweg zunehmende Respektlosigkeit, verbunden mit einer grenzenlosen Anspruchshaltung, mangelndem Interesse gegenüber allem und jedem, sowie mangelnder Ausdauer und Frustrationstoleranz – typische Anzeichen einer »Verwöhnungs-Verwahrlosung«. Auf der äußeren Ebene handelt es sich um einen Konflikt zwischen der Schule und dem Busunternehmen als einem Teil der Öffentlichkeit. Auf der Innenseite ist es der Konflikt der Lehrerin, den Schülern ihren Freiheitsdrang und ihren Spaß gönnen zu wollen (und von ihnen dafür geliebt/gemocht zu werden) oder aber sie in die Schranken zu weisen, ihnen Grenzen zu setzen, zur Rücksichtnahme zu zwingen (und damit ihren Ärger auf sich zu ziehen), weil sie die Anerkennung von Grenzen und den respektvollen Umgang mit anderen für ihre Zukunft brauchen.

Die Frage nach den Ursachen

Die Frage nach den Ursachen ist eine doppelte:

- Warum verhalten sich Schüler heute so, dass Busfahrer sie nicht mehr ertragen können?

.  Warum verhalten sich viele Lehrerinnen heute so, dass die Schüler derart über die Stränge schlagen können?

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Die Erziehenden müssen beides anbieten: Freiraum für Erfahrung der Durchsetzbarkeit eigenen Wollens (funktioniert über Beteiligung der Schüler an der gesamten Planung dessen, was im Laufe eines Schuljahres im Unterricht und außerhalb so alles passieren soll sowie über die Bereitschaft der Lehrerin, in weniger entscheidenden Fragen auch einmal dem Wunsch der Schüler nachzugeben) – aber auch Einschränkung der eigenen Machtentfaltung, wo sie die Grenzen des Freiraums bzw. der Rechte (z.B. auf Lernen) anderer verletzt (funktioniert bei vielen heutigen Schülern nur noch über ebenso konsequente wie unaufgeregt-„coole“ Sanktionen). Wenn die Schüler gesetzte Grenzen nicht respektieren, müssen sie wissen, dass ihr Leben unbequemer wird, als wenn sie die Regeln einhalten.

Eine weitere Szene soll illustrieren, wie Schüler auf den Durchsetzungswillen von Lehrpersonen reagieren:

Die Siebtklässler haben in dieser Woche für die Mittagspause Essen gekocht. Ein Achtklässler kommt an den Tisch und blafft die Lehrerin an, die das Essen austeilt: "Fressen her! – Bisschen schneller!“ Als ihm der geriebene Käse über den Nudeln zu wenig ist, blafft er weiter: „Mehr Käs` drauf!" Da die Lehrerin wieder nicht auf diese unverschämte Ansprache reagiert, greift eine Kollegin ein, die etwas weiter hinten in der Reihe steht. Sie schnappt sich den Jungen und schleift ihn zum Konrektor, der gleichzeitig sein Klassenlehrer ist: "Hier bringe ich Ihnen einen ihrer Schüler, der mir mit seiner Unverschämtheit die Freude am Essen verdirbt!" Sie berichtet den Vorfall und geht zurück zur Essensausgabe. Kurze Zeit darauf kommt der Junge zurück. Die Lehrerin, die ihn zum Konrektor gebracht hatte, fragt: „Und, hast du deine Strafe abgeholt?“ -  „Nee, nur g´schwätzt. Der bringt´s doch nicht der Arsch!“

Einige andere Achtklässler haben sich auch Essen geholt und dieses auf der Treppe sitzend verzehrt. Als sie fertig sind, stellen sie ihr Geschirr einfach auf die Treppe und gehen weg. Die Kollegin, die auch gerade fertig ist, stellt sich den Schülern in den Weg und sagt: "Heh! Halt mal! Glaubt ihr vielleicht, die Teller fliegen von allein in die Küche zurück?" – Der Größte aus der Gruppe baut sich um Haupteslänge über der Lehrerin auf und schnauzt sie an: "Geht Sie das vielleicht was an?! Sie sind überhaupt nicht unsere Lehrerin!" – Blitzschnell packt sie den Schüler am Jackenkragen, dreht diesen herum und drückt ihn dem Jungen gegen das Kinn: "Jetzt will ich dir mal was sagen, du kleiner Riesen-Rotzlöffel: das geht mich eine ganze Menge an! Ich arbeite nämlich hier, und das mein Arbeitsplatz ist eine Schule und kein Schweinestall! Hast du mich? Und wenn du jetzt nicht auf der Stelle dein Geschirr weg räumst, lasse ich dich sofort von deinen Eltern abholen!" Der Schüler zuckt förmlich zusammen unter diesem Ausbruch der Lehrerin,  die ganze Gruppe wuselt zur Treppe zurück und beeilt sich, die Teller in die Küche zu bringen. Auf dem Rückweg kommen sie noch einmal an der Lehrerin vorbei und einer sagt anerkennend: „Sie sind echt cool, ey!“ Die Szene spricht sich in der Klasse herum und die Achtklässler begegnen der Lehrerin fortan mit erstaunlicher Höflichkeit.

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Inhaltsübersicht

Erziehung –. 1 Lernen aus der Praxis (I) 1

1.    Einführung. 1

1.1.     Einleitung. 1

1.2.     Lernen durch Praxis-Reflexion.. 2

1.3.     Praxis ohne Theorie?. 2

1.4.     Zugrundegelegtes Menschenbild.. 3

2.    Wirkungsnetzwerk – oder: einen systemischen Blick entwickeln.. 6

2.1.     Wirkungsnetzwerk - grafisch.. 7

3.    Situationsanalyse - Ein Modell 8

3.1.     Charakterisierung des Problems - oder:  Die Frage nach zu Grunde liegenden Konflikten.. 9

3.2.     Die Frage nach den Ursachen.. 11

3.3.     Die Frage nach Handlungsmöglichkeiten.. 12

3.4.     Die Fragen nach den („biegsamen“) Grenzen des eigenen Handelns. 12

3.5.     Die Frage nach den Zielen einer Veränderung. 13

3.6.     Die Frage nach theoretischen und externen Hilfen.. 13

4.    Situationsanalyse - Ein Beispiel 15

4.1.     Charakterisierung des Problems. 15

4.2.     Die Frage nach den Ursachen.. 16

4.2.1.  Warum verhalten sich Schüler heute so, dass Busfahrer sie nicht mehr ertragen können?. 16

4.2.2.  Warum verhalten sich viele Lehrerinnen heute so, dass die Schüler derart über die Stränge schlagen können?  17

4.3.     Handlungsalternativen und Diskussion der Hypothesen.. 17

4.3.1.  Zu den Ursachen des Schülerverhaltens. 17

4.3.2.  Zu den Ursachen des Lehrerinnen-Verhaltens. 24

 

 



[1]     Aus Gründen der Lesbarkeit und als Tribut an die Emanzipation wird als Berufsbezeichnung die weibliche Form verwendet. Die (immer weniger werdenden) »männlichen Lehrerinnen« sind selbstverständlich genau so gemeint. (Hätte früher jemand z. B. in einer Statistik die Formulierung »weibliche Lehrer« beanstandet?)

[2]     Das Wort Theorie (griechisch θεωρείν theorein: beobachten, betrachten, [an]schauen; θεωρία theoría: das Anschauen, Überlegung, Erkenntnis, die wissenschaftliche Betrachtung; wörtlich: „die Schau des Göttlichen“, theos; die Betrachtung oder Wahrnehmung des Schönen als moralische Kategorie) bezeichnete ursprünglich die Betrachtung der Wahrheit durch reines Denken, unabhängig von ihrer Realisierung. Vermutlich deshalb wird der Begriff alltagssprachlich auch unbestimmt als Gegenteil von Praxis benutzt. http://wissen.spiegel.de/

 

[3] In den siebziger und achtziger Jahren habe ich noch die Erfahrung gemacht, dass auch „schlimme“ achte und neunte Klassen sich einwandfrei benommen haben, sobald sie aus dem Schulgebäude zu einer Exkursion oder einer Klassenfahrt „entlassen“ waren. Draußen, das war der Ernstfall, in dem man sich „ernsthaft“, wie Erwachsene eben, benahm. Die Schule dagegen – so hat es damals ein Schüler formuliert, als wir auf dem Rückweg von einer Exkursion über das Thema sprachen – da ist wieder der „Scheiß-Kasten! Wenn ich den schon seh´, wird mir´s grad´ schlecht.“